1. Reden wir miteinander ...

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Tabuthema Sterben?

Dieses Thema im Forum "FORUM | Reden wir miteinander ..." wurde erstellt von spiraltribe, 29 Juni 2011.

  1. Weil wir gerade zwei Threads zu dem Thema laufen haben mit grundlegend konträrer Einstellung dazu: Einerseits geht es um aktive Sterbehilfe und wie oft quasi die Existenz nicht mehr lebenswert ist. Und andererseits, beim Thema Organspende wird sogar ein reflexartiges Ansteigen von Blutdruck und Puls als Argument hergenommen, dass der Hirntote so tot ja gar nicht ist.

    Und die feste Behauptung wird in den Raum gestellt, dass jeder lieber ein ev. schlechtes Leben wählen würde als den Tod.

    Ist das wirklich so? Ist der Tod so unvorstellbar, dass er natürlich nicht zugelassen werden kann?

    Bei mir verändert sich ja in letzter Zeit meine Einstellung und mein Bild drastisch, triffte sicher vom Mainstream (nicht wertend) weg. Und manchmal verunsichert mich das auch ein wenig.
     
  2. muell23

    muell23 Gast

    Ich hab meine beste Freundin während ihrer Krebserkrankung bis zum Tod begleitet. Ich hab gesehen, wie sie sich von Chemo zu Chemo, von Bestrahlung zu Bestrahlung gehofft und gebetet hat. ich hab miterlebt, wie sie vor Schmerzen schreiend im Bett gelegen ist und ihr die Ärzte kein Morphium mehr geben wollten oder konnten, da ansonsten die Dosis so hoch gewesen wäre, dass sie gestorben wäre.

    Leider war sie nicht mehr transportfähig, denn ansonsten hätte es Mittel und Wege gegeben sie zu erlösen bzw. ihre Eltern, unser Hausarzt und ich hätten einen menschlich würdigen Weg gefunden.

    jeden Hund oder jedes Tier kann man von seinen Leiden erlösen, nur den Mensch nicht. So menschlich sind wir in Österreich.

    Nie und nimmer würde ich bei einer an sich schweren oder unheilbaren Kranheit diesen Weg gehen. Lieber in Würde sterben und zu meiner, von mir ausgesuchten Zeit (wo ich noch selbst bestimmen kann, wann ich dem Leiden ein Ende setze) als den Ärzten hilflos ausgeliefert.

    Also ja, es gibt Situationen, da ist der Tod willkommener als das Leben. Der Tod ist für die Hinterbliebenen schlimm, denn der Tote hinterlässt eine Lücke in deren Leben, für den Toten selbst ist es der Beginn einer wunderbaren Reise in die Unendlichkeit des Seins.
     
  3. die angst der leute kann ich aber trotzdem verstehen. dass der körper ansonsten ohnehin verrottet und von maden gefressen wird, oder halt als ein haufen asche endet scheint zu weit weg zu sein um es zu berücksichtigen - bzw. wer schaut schon in ein grab wie der tote nach einiger zeit aussieht? -


    das nennt man lebenserhaltungstrieb ;) . den haben gesunde bzw halbwegs gesunde leute üblicherweise. menschen die wirklich schon am ende angekommen sind wünschen sich oft dass es bald endlich vorbei ist.
    anscheinend ja! allerdings: würdest du nicht auch alles tun um dein kind zb. am leben zu erhalten? einerseits finde ich dass der tod etwas natürliches und wichtiges ist. andererseits lässt man jemanden den man gerne hat nicht so gerne sterben (auch wenn man es dann zulässt bzw "erlaubt" bzw begleitet ist es nicht so lockerlustig, sondern schon auch belastend)
    es ist schwer! und ich hab tote auch schon 'beneidet* wenn sie es total stilvoll hingelegt haben, aber ein klein bisschen gänsehaut war immer dabei :D - und es waren in summe viele tote-
     
  4. :verymad:Ich muß zugeben, ich wußte bis vor kurzem auch nicht, in welch hohen Dosen man Morphium geben kann, ohne einen Atemstillstand befürchten zu müssen. Und solange Schmerzen vorhanden sind ist die Gefahr nicht gegeben. Zumal ein bestimmtes Morphium sogar bei Atembeschwerden erleichternd wirkt....

    Aber es ist ganz sicher nicht notwendig, vor Schmerzen schreiend im Bett zu liegen nur damit man nicht stirbt
     
  5. viele ärzte haben aber wirklich angst davor und (so komisch es klingen mag) vor einer abhängigkeit der patienten.
    vor allem menschen die ohnehin sterben werden sollen ohne schmerzen sterben können. und selbst ein atemstillstand bei sterbenden ist ein vernachlässigbares problem,
     
  6. Artemis

    Artemis Gast-Teilnehmer/in

    Bei der derzeitigen Ausgereiftheit der Schmerztherapie ist es nicht notwendig, dass Schwerkranke Schmerzen erdulden müssen. Ich bin aber auch nicht für "um jeden Preis so lang wie möglich".

    Wobei, zum Grundthema. Ich habe im Pflegeheim gearbeitet. Und je mehr Menschen ich begleitet habe, desto mehr hat sich meine Einstellung zum Thema Tod verändert.

    Ich habe meine Angst davor verloren. Und ich weiß nicht, wenn ich ausführe, dass es was Friedliches, Ergreifendes, fast Heiliges haben kann... steh ich sicher ziemlich alleine da mit meiner Meinung.

    Ich habe vielfach erlebt, dass die Umwelt logischer- und verständlicherweise das viel größere Problem damit hat. Ich bin auch überzeugt davon, zumindest bei älteren Menschen, es geht irgendwas vor, der Mensch entwickelt sich ja immer weiter in seinem Leben. Und zumindest habe ich oft beobachtet, dass dem ein Prozess voran gegangen ist, der darauf vorbereitet hat, es tragen zu können. Und diese Beobachtungen haben mich und meine Einstellung extrem geprägt. In positiver Weise. Und auch in einer Weise, dass ich für mich persönlich ein paar Dinge beschlossen habe, wie ich leben möchte... Grundlegende Dinge. Das ist aber möglicherweise schwer vorstellbar, wenn man es nur so beschreibt.
     
  7. nein! diese meinung werden wohl viele teilen die auf der geriatrie gearbeitet haben, oder in einem hospiz. auf der kinderabteilung hab ich das sterben (und das waren "nur" zwei kinder) nicht ausgehalten.
    nahe angehörige können aber schon glücklicherweise oft in den sterbeprozess integriert werden und so können alle das beste rausholen (der moribunde mensch darf sterben, der angehörige schließt ab und nimmt aktiv teil, und auch für die pflegenden ist es etwas schönes)
     
  8. Artemis

    Artemis Gast-Teilnehmer/in

    Natürlich. Auch und vor allem der Angehörige soll begleitet werden. Darum sage ich ja, diese Sichtweise bekommt man sicher erst, wenn man damit zu tun hat.

    Auf einer Kinderabteilung hatte ich nur ein Praktikum und ich hätte niemals dort arbeiten wollen. Eben aus den Gründen.
     
  9. angehörige brauchen meist mehr betreuung als der sterbende. nicht immer, aber schon oft. und nachher je nach situation zb. eine umarmung .
    ja gell! es ist relativ leicht mit dem tod von menschen umzugehen die ihr leben hatten, aber die die es noch vor sich gehabt hätten, da setzts aus
     
  10. Artemis

    Artemis Gast-Teilnehmer/in

    Ich hab auf der Kinderstation keinen Tod miterlebt. Mir hat das (wohl) wenige, das ich gesehen habe, definitiv gereicht und ich hab den allergrößten Respekt vor allen, die dort arbeiten.
     
  11. juulia

    juulia Gast-Teilnehmer/in

    bist nicht alleine, da sind wir schon zwei. ich hab die begleitung sterbender oft ähnlich erlebt wie du.
     
  12. ich weiß nicht, ich habe in letzter Zeit die Gegenteilige Erfahrung gemacht, Das gerade jene Menschen, die sehr knapp vor dem Tod stehen, selbst wenn sie stets eine "natürliche" Einstellung zum sterben haben und auf ein langes und erfülltes Leben zurückblicken können, sagen, sobald die Schemrzen halbwegs eingestellt sind "ich würde halt gerne noch ein wenig da bleiben, sehen, wie die Enkerl/Urenkerl größer werden, nochmal einen Frühling erleben" oder ähnliches.

    Aber ich dachte beim Erstellen eher an ein gesamtgesellschaftliches Phänomen.

    Einerseits werden Sterbende in Institutionen dafür abgeschoben. Krankenhäuser (in denen manche Ärzte den Tod als den Erzfeind sehen und alles tun, um diesen hinauszuzögern) Pflegeheime, Hospiz, Palliativstationen.

    Andererseits gibt es kaum einen Film, in dem nicht mindestens 1 Person stirbt, oftmals spektakuläre oder grausame Tode.

    Ich habe mich durch den "Organspendethread" animiert gefragt, ob es wirklich immer sinnvoll ist, das ganze Angebot der Medizin immer zu nutzen. Ein Leben nach einer organtransplantation ist ja in den seltensten Fällen wirklich lustig. Wäre es wirklich so unvorstellbar zu sagen - nein, ich bevorzuge einen natürlichen Tod, ich möchte nur, dass die quälenden Begleitumstände so gut wie nur irgendmöglich abgemildert werden...

    Vielleicht fehlt uns das? Vielleicht wäre es gut, ab und zu selbst zu sehen, mitzuerleben, das sterben zum Leben dazu gehört. Und vermutlich das einzige ist, was in unserer Zukunft sicher sein wird. Das es nicht gewaltsam und arg sein muß.

    Ist der Lebenserhaltungstrieb wirklich so fix in uns eingebaut und unüberwindlich? Oder kann man sich mit dem Tod nicht auch ein wenig anfreunden? Weil so sehr wie er gerade von jenen, die damit in real nicht konfrontiert wird, gerade in Musik oder Film gesucht wird, bin ich mir nicht sicher, wie gerade jene, denen es eigentlich gut geht eine gewisse Todessehnsucht entwickeln, ob man sich dem Thema grundsätzlich entziehen kann - oder ob es nicht einfach auf Umwegen trotzdem präsent ist?
     
  13. ellela

    ellela Gast

    Nein, stehst du nicht.
    Ich komme nicht aus dem Pflegebereich. Hatte noch nie beruflich mit dem Tod und dem Sterben zu tun. Dennoch sehe ich es auch so.
    Vielleicht liegt es daran, dass ich meine Großeltern alle zwischen 5 und 15 verloren habe. Ich weiß es nicht.
     
  14. dharmapunk

    dharmapunk Gast-Teilnehmer/in

    Ich seh das Thema sehr zwiegespalten. Ich arbeite im Rehabereich, mit Behinderten z.B. nach Schädelhirntrauma oder mit Querschnittlähmung. Die meisten dieser Menschen sind froh am Leben zu sein. Auch wenn Aussenstehenden dieses Leben vielleicht nicht "lebenswert" erscheint. Ich habe z.B. deshalb absichtlich KEINE Patientenverfügung - wer weiss schon, wie so ein Leben, dass man sich jetzt nicht vorstellen kann (im Rollstuhl, mit Magensonde, inkontinent...) wäre und welche Entscheidungen man dann treffen würde.

    Andererseits schreckt mich der Tod nicht (mehr) - ich hab meinen Vater und meine beste Freundin vorausgehen lassen. Mein Vater ist nach längerer Krankheit gestorben, meine Freundin ganz plötzlich an Komplikationen nach einem Unfall. Ich glaube wenn es soweit ist, ist es für denjenigen auch o.k. - schwieriger ist es für die, die dableiben und mit der Lücke leben müssen.

    Wäre es denkbar NICHT alles zu tun, was man tun kann, um länger zu leben? Für mich ja. Ich kenne einige Patienten mit ganz schlechter Prognose, die trotzdem von Therapie zu Therapie, von Krankenhaus zu Reha zu Krankenhaus hetzen. Das wäre nichts für mich - lieber würd ich die "gute" mir verbleibende Zeit für eine Reise oder für das Beisammensein mit Familie und Freunden nutzen und nur palliativ behandelt werden.
     
  15. ellela

    ellela Gast

    Ich bin mir gar nicht so sicher ob es wirklich nur Lebenserhaltungstrieb ist.
    Vielleicht kommt auch die Angst vor dem Danach dazu? Ich meine wie oft stehen wir in unserem Leben vor einem Punkt wo wir genau überhaupt nicht wissen wie es weitergeht?
    Vielleicht ist das jetzt ein blöder vergleich, aber ich hatte kurz vor der Geburt meiner Tochter unglaubliche Panikattacken, weil ich mir einfach nicht vorstellen konnte wie mein Leben funktionieren kann nach der Geburt. Ich hatte soooo Angst und ich denke dass nicht umsonst mein Kind 18 Tage überfällig war.
    Wir in unserer Gesellschaft haben verlernt dem Universum, Gott oder wem auch immer zu vertrauen. Wie sollen wir dann auf den Tod vertrauen. Es ist eine Reise ins absolute Unbekannte und wohl verständlich dass die gerne soweit wie möglich aufgeschoben wird.

    Der andere Aspekt ist, dass wir gelernt haben uns unentbehrlich zu fühlen. Bzw. wir unseren Wert daraus beziehen dass wir für diese Gesellschaft etwas leisten oder gebraucht werden. Wenn man aber sagt, so ich geh jetzt, die kommen schon ohne mich klar, dann führt man irgendwie sein bisheriges Leben ad absurdum. Ich weiß nicht ob ich es geschafft habe klar darzustellen worum es mir geht. Und so paradox das jetzt klingt, aber ich denke die Art wie wir in den Tod gehen hängt auch von unserer Lebenseinstellung ab.
     
  16. Die Angst kenne ich nur zu gut, ich hatte bei beiden Kindern Angst. Bei mri war es eher das Thema, ob alles gut gehen wird, das ausgeliefert sein in der Geburtsphase, die eigene Machtlosigkeit erkennen das letztendlich während der Geburt in absolute ...SelbstLOSigkeit, Selbstaufgabe, Hingabe, loslassen gipfelte....

    Wäre interessant, wieviele Frauen diese Angstphase knapp vor der Geburt hatten, unabhängig vom (Angst)Thema
     
  17. PS: überhaupt kein blöder Vergleich, ganz im Gegenteil. Ich sehe im Bereich der Begleitung während einer Geburt und bei der Sterbebegleitung sehr viele Paralellen und in beiden geht es um den Übergang zwischen dem Sein und Nichtsein (Ob etwas ausserhalb der für uns wahrnehmbaren Welt existiert lasse ich mal dahingestellt, es ist seltsam, aber je mehr ich mich mit dem sterben befasse umso weniger interessiert mich das danach...bzw. vor dem Leben)
     
  18. ellela

    ellela Gast

    Gibts dafür einen Grund?
     
  19. Artemis

    Artemis Gast-Teilnehmer/in

    Ja, ich verstehe dich. Und unterschreibe jedes Wort. Vor allem den letzten Satz empfind ich auch so (ich hatte es vorhin schon "auf den Tasten", aber hab´s nicht formulieren können).
     
  20. Unterschiedliche. Einer davon ist wohl die Frage, ob es ein Leben vor dem tod gibt.....
     

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